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Thomas Bach hat Großes vor

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Thomas Bach hat Großes vor. Kaum war der Applaus für seinen historischen Olympiasieg verebbt, da wurde der neue IOC-Präsident auch schon programmatisch.

Der Jurist aus Tauberbischofsheim will das Premiumprodukt Olympia den Athleten zurückgeben und das Internationale Olympische Komitee (IOC) zu einer stärkeren gesellschaftspolitischen Macht entwickeln. Die olympische Welt muss sich auf einen Paradigmenwechsel einstellen, Deutschlands Dachverband DOSB sucht in den kommenden Wochen einen Nachfolger für seinen scheidenden Präsidenten. Noch hat sich keiner der Kandidaten aus der Deckung gewagt. Für eine mögliche Bewerbung Münchens um die Winterspiele 2022 muss ein deutscher IOC-Präsident Bach kein Nachteil sein.

«Wir müssen uns klar machen, was das IOC tun kann, wofür wir da sind und was wir nicht machen können. Das IOC kann nicht unpolitisch sein», erklärte der 59-Jährige nach dem Ende der 125. IOC-Vollversammlung in Buenos Aires gleich auf seiner ersten Pressekonferenz. Bach will den Ringe-Orden für Diskussionen mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur öffnen und eine professionellere Entscheidungsfindung fördern. «Wir müssen erkennen, dass Olympische Spiele politische Auswirkungen haben, aber um unsere Rolle zu erfüllen, müssen wir politisch neutral sein.»

Bach ist der erste Olympiasieger, der IOC-Präsident wurde, und der achte aus Europa. Bereits am kommenden Dienstag will er in seiner neuen Wahlheimat Lausanne die Geschäfte auf- und die wichtigsten Akten von seinem Vorgänger Jacques Rogge übernehmen. Die problembeladenen Winterspiele vom 7. bis 23. Februar im russischen Sotschi sind gleich seine erste Herausforderung. Auch die Spiele in Rio 2016, Pyeongchang 2018 und Tokio 2020 versprechen lukrative Märkte - und große Schwierigkeiten auf Kosten der Athleten.

Der DOSB steht bei der Suche nach einem Bach-Nachfolger vor einem stürmischen Herbst: Gesucht wird eine führungsstarke Persönlichkeit, die beste Kenntnisse darüber verfügt, wie der Dachverband funktioniert und wohin er geführt werden soll, die fest verwurzelt ist in der Gesellschaft, die weiß, wie man es anstellt, Olympische Winterspiele ins Land zu bekommen - und das alles in einem Ehrenamt. Eingeleitet wird der Findungsprozess am kommenden Montag in Frankfurt, wenn der gerade gewählte IOC-Präsident seine nationale Präsidentschaft niederlegt, um sich in Richtung Lausanne zu verabschieden.

Von da an hat ein Trio das Sagen: Der Ex-Banker Hans-Peter Krämer (72), der als Vizepräsident Wirtschaft und Finanzen laut Statut die DOSB-Geschäfte übergangsweise führen wird, dazu Generaldirektor Michael Vesper (61) und Rainer Brechtken (68). Der ist Fraktionsführer der Fachverbände im DOSB. Ohne die geht nichts. Allein die Verbände mit olympischen Sportarten verfügen über eine Einstimmen-Mehrheit in der Vollversammlung.

Krämer, der auch der Deutschen Krebshilfe vorsteht, will den Job so schnell wie möglich loswerden - genau am 7. Dezember, wenn die DOSB-Vollversammlung in Wiesbaden tagt. Dort wird entschieden: Muss Krämer noch bis zum Ende der Legislaturperiode im Dezember 2014 seines Übergangsamtes walten oder hat der deutsche Sport bis dahin einen überzeugenden Kandidaten auserwählt. Der sollte den DOSB dann bis 2018 anführen.

Dann ist längst entschieden, ob Münchens mögliche Bewerbung um die Winterspiele 2022 erfolgreich war. Ein deutscher IOC-Präsident Bach muss dafür nicht unbedingt ein Nachteil sein. «Das vermindert Münchens Chancen auf keinen Fall», meint IOC-Mitglied Richard Pound, der frühere Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. «Im ungünstigsten Fall wäre sein Einfluss neutral. Man muss sich ja nur Barcelona 1992 anschauen», sagte der Kanadier. Damals hatte Juan Antonio Samaranch in seiner Amtszeit als IOC-Präsident die Olympischen Spiele in seine Heimatstadt geholt.

Für DOSB-Generaldirektor Michael Vesper hat die Wahl Bachs «keinerlei negative Auswirkungen» auf eine neue Münchner Olympia-Bewerbung. «Das allgemeine Klima ist sehr positiv. Alle anderen Einschätzungen sind nur ein Wunschdenken von Gegnern.»

Die geballte Politikprominenz hat Bach überschwänglich zum «Olympiasieg» in Buenos Aires gratuliert - deutliche Kritik kam von einem früheren Athleten. Olympiasieger Michael Groß meinte, der deutsche Sport habe Grund zur Freude, weil sich nun auch an der Spitze endlich etwas bewegen könne. «Thomas Bach stand für verwalten, nicht gestalten. Geräuschlos und wenig ergebnisreich war sein Wirken», schrieb der dreimalige Schwimm-Olympiasieger in einem Beitrag für «Handelsblatt Online».

Kugelstoß-Europameisterin Nadine Kleinert sagt zur Wahl Bachs: «Das ist gut für uns - das hoffe ich jedenfalls. Denn er hat eine komische, zwiegespaltene Einstellung zu einem Anti-Doping-Gesetz. Das bräuchten wir aber dringend.» Bach-Kritiker Robert Harting, Diskuswurf-Olympiasieger aus Berlin, könnte sich «zukünftig eine Zusammenarbeit mit dem DOSB gut vorstellen, soweit sich dort neue Perspektiven ergeben».




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