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Ein Abend für große Gefühle - So bewegt wie nach dem Europacup-Triumph in Bordeaux hat man Eintracht-Trainer Armin Veh selten erlebt

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Bordeaux/Frankfurt. Die Mannschaft hat Mut für das Krisen-Duell in Hannover getankt. Die Personaldecke bleibt aber dünn.

Der Gang in die prall gefüllte Gästekurve des Stade Jacques Chaban-Delmas stellte Armin Veh noch vor eine besondere Herausforderung. "Ich bin ja eigentlich nicht der Typ dafür, aber ich freue mich natürlich darüber", berichtete er davon erst einmal recht sachlich, ehe er doch durchblicken ließ, wie es im Ringen mit den Gefühlen stand. "Da muss man schon aufpassen, dass es nicht regnet aus den Augen", schloss Veh an, und wieder schimmerte es verdächtig in den Augen des sichtlich gerührten Trainers.

So ausgelassen wie an diesem späten Donnerstagabend in Bordeaux, an dem die Eintracht das Überwintern im Europapokal perfekt machte, hat man den ausgebufften Fußballlehrer selten erlebt in seinen nun bald zweieinhalb Frankfurter Jahren. Veh, auf Wunsch der rekordverdächtig vielen Fans von Präsident Peter Fischer für eine ganz persönliche Huldigung zu ihnen geleitet, schwenkte eine mit einem Eintracht-Adler verzierte Europafahne. Und schließlich streifte er noch eine der vielen orangefarbenen Wollmützen über, wie sie die Anhänger zu Tausenden trugen.


Zusammenhalt

Schon vor dem Anpfiff war Veh gefeiert worden - keine Selbstverständlichkeit nach der Durststrecke mit acht Bundesliga-Spielen ohne Sieg. "Dieser Zusammenhalt macht uns in der Saison, in der wir nicht von Sieg zu Sieg eilen, aus", meinte Vorstand Axel Hellmann dazu, Veh war da bereits bewegt von der Unterstützung. "Das ist schon außergewöhnlich, wenn du 12 000 Fans dabei hast, und alle sind in Orange bekleidet und rufen deinen Namen."

Es war ein Abend für große Gefühle, auch wenn das schwache Spiel dafür selten Anlass bot. Abgesehen von dem entscheidenden Tor durch den eingewechselten Martin Lanig in der 82. Minute - endlich mal ein eigenes spätes Tor und nicht schon wieder ein Nackenschlag in den letzten Minuten. Was zählte, waren das Ergebnis auf dem Rasen und die Erlebnisse drum herum. "Wir haben zu Null gespielt, wir sind Gruppensieger. Und wir haben kein spätes Gegentor gekriegt", fasste Sportdirektor Bruno Hübner nach dem schmeichelhaften 1:0 bei Girondins Bordeaux zusammen.
 


 

In der Bewertung des Geschehens war man sich einig. "Die Mannschaft hat gekämpft. Das Spiel war zerfahren, die Fehlerquote auf beiden Seiten hoch. Aber das spielt keine Rolle", fand Vorstandschef Heribert Bruchhagen und freute sich lieber über einen "eindrucksvollen Auftritt von Eintracht Frankfurt. Das tut unserem Verein gut." Damit waren vor allem auch die unglaublich vielen Fans gemeint. Abgesehen von dem wohl unvermeidlichen Leuchtfeuer vor dem Anpfiff gaben sie ein ausgezeichnetes Bild ab im ungewohnten Orange - der verabredeten Signalfarbe für den Ausflug von rund 12 000 Eintracht-Fans. "Der ganze Tag war wunderschön, auch friedvoll. Jetzt genießen wir das erstmal. Und ab morgen sind wir wieder fokussiert auf die Bundesliga", sagte Bruchhagen, der am Sonntag, wenn die Eintracht um 15.30 Uhr schon wieder bei Hannover 96 antritt, genau zehn Jahre in seinem Vorstandsamt ist.

In diesem "Kerngeschäft", wie es Kapitän Pirmin Schwegler nach seinem Startelf-Comeback nannte (lesen Sie dazu auch unseren gesonderten Artikel), trifft man auf einen Gegner, der auch schon sieben Spiele ohne Sieg ist und ebenfalls Verletzungsprobleme hat. "Die stehen auch unter Druck", weiß Veh. Zurück im Grand Hotel von Bordeaux wurde nachts auch noch ein Glas heimischen Weins getrunken. Zum Feiern sei ihm aber eigentlich gar nicht zumute gewesen, berichtete er. "Ich habe mehr Sorgen, als dass ich mich freue."


"Massive Probleme"

Zum Beispiel, dass er im Spiel seiner Elf "massive Probleme" ausgemacht hatte. Und dass morgen wohl keiner der verletzten Spieler zurückkommt und die Lücke in der Innenverteidigung nach den Ausfällen von Russ und Anderson wohl bestehen bleibt. Der 18 Jahre junge Marc-Oliver Kempf hatte in Bordeaux seine Sache für Veh "ordentlich" gemacht. "Aber es ist schon ein Unterschied, ob du in der Regionalliga spielst oder in der Bundesliga. Da muss der Junge reinwachsen." Gut möglich, dass der Trainer in Hannover eine andere Notlösung findet. So oder so gilt nach der Frankreich-Reise: "Wir müssen die Müdigkeit rauskriegen und dann wieder topfit auf dem Platz stehen". Gar nicht so leicht. "Mit einem Erfolgserlebnis regeneriert man besser", meinte Torschütze Lanig wenigstens.

Vielleicht ganz gut, dass in der Europa League nun alles schon vor dem letzten Gruppenspiel gegen Apoel Nikosia geregelt ist. Als Gruppensieger kassiert die Eintracht noch einmal 400 000 Euro extra, und sie liegt bei der Zwischenrunden-Auslosung im Topf mit den vermeintlich besseren Mannschaften. Und nach dem Europa-League-Rekordbesuch in Bordeaux fahren immerhin 2000 Eintracht-Fans schon wieder mit nach Hannover.




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