Wicker. Alte rostende Container, schallende Rockmusik aus den Lautsprecherboxen und schon zur Frühstückszeit der Geruch von rohen Zwiebeln und Gyros in der Luft. Dieses Szenario gab es morgens um 10 Uhr auf der ehemaligen Deponie in Wicker und komplettierte das Bild, das die Organisatoren des ersten Crosslaufs durch das Gelände des Deponieparks geschaffen hatten.
"Das hier ist ein Extrem-Trail", stellte Klaus Wagner fest. Der Mann von der LG Bad Soden/Sulzbach/Neuenhain steht seit 30 Jahren mit den Veranstaltern vom Schuhhaus Ehrl und dessen Repräsentanten Philipp Ehrl in Kontakt und schlug das Gelände an der B 40 in Wicker vor, als die Lex-Laufexperten in Zusammenarbeit mit der Rhein-Main-Deponie die Idee für einen Lauf dieser Art entwickelten.
Start und Ziel war der Platz vor dem rustikalen Imbiss, der die insgesamt 73 Läufer verpflegte. Streckenplaner Klaus Wagner hatte den fünf Kilometer langen Extremparcours ausgetüftelt und führte die Teilnehmer einmal quer über das Gelände der Deponie. Nach dem Rennen über fünf Kilometer startete der 15-Kilometer-Lauf, bei dem die Teilnehmer das Ziel drei Mal passieren mussten.
Neuer Blickwinkel
"Sonst haben wir die Deponie beim Regionalparklauf immer nur von außen kennengelernt. Sehr interessant, das nun auch mal von innen zu tun", berichtete Harald Krone vom Team PhysioVit aus Flörsheim. Gemeinsam mit seinem Bekannten Jens Bieger war der Flörsheimer um 9.30 Uhr gestartet und hatte sich ein Mal auf den Rundkurs der Fünf-Kilometer-Strecke begeben. Biegers Zeit von 24:20 Minuten bedeutete Platz zehn in der Gesamtwertung des ersten Laufs. Von 46 Teilnehmern belegte sein Freund Harald Krone in 25:13 Minuten den zwölften Rang. "Da die Zeit bei einem solchen Lauf nicht das Wichtigste ist, kann man schon auch die Umgebung wahrnehmen und genießen", erklärte Bieger. Sein Laufpartner Krone pflichtete ihm bei: "Es ist wirklich erstaunlich, auf welche Höhen man hier kommen kann. Die Schafherde habe ich aber trotzdem erst beim Auslaufen registriert".
Tatsächlich hatten Klaus Wagner und sein Team bei der Streckenplanung einiges zu bieten. An Hessens größter Solaranlage vorbei führte die Strecke die Läufer weg vom asphaltierten Weg und rein in die Natur. Auch wenn die Veranstalter die Wiese, auf die sich die Athleten auf dem ersten Kilometer begeben mussten, nicht gemäht hatten, war das Gras kurz und gut zu laufen. "Wir haben hier 150 biologische Rasenmäher", berichtete Wagner und meinte die von Krone bereits erwähnte Schafherde.
Auch wenn das geplante Wasserhindernis bei Temperaturen von über 20 Grad schnell vertrocknete und höchstens ein wenig Schlamm an den Schuhen der Läufer hinterließ, bekamen die Teilnehmer auf dem zweiten Kilometer den nächsten Höhepunkt geboten. Die Storchennester im Naturschutzgebiet waren zum Greifen nah, ehe es auf eine 1,50 Meter tiefe Kiesbahn ging.
70 Grad Gefälle
Auf dem folgenden Flachstück an der Holzverbrennungs- und Stromgewinnungsanlage vorbei galt es, wieder zu Kräften zu kommen, ehe es nach ungefähr drei Kilometern auf den steilsten Berg der Strecke ging. Der Aufstieg und vor allem die knapp 70 Grad Gefälle beim Abstieg machten den Läufern das Leben schwer. Anschließend folgte ein weiteres Flachstück. Dort hatten die Veranstalter den Parcours mit einer weiteren Schwierigkeit gespickt und Bänder und Netze gespannt, über oder unter denen die Teilnehmer durchklettern mussten.
Auch wenn der Triathlon in Wiesbaden und dessen Organisatoren die Versorgung des letzten Streckenabschnitts mit Heuballen und alten Traktorreifen verhindert hatten, waren die Läufer von der Strecke sehr angetan, wie Klaus Wagner berichtete. "Manchen war es sogar fast zu leicht", meinte der Organisator. Er fühlte sich zu Verbesserungen im nächsten Jahr motiviert. "Mit ausgelegter Folie können wir ein Wasserhindernis bauen, das nicht bei Sonne und Hitze vertrocknet. Außerdem hätte das mit den Reifen und Heuballen klappen können", hat er schon Vorstellungen.
Für Tim Lipecki reichten die Hindernisse und Schwierigkeiten auf dieser Strecke. Blutverschmiert und mit Schürfwunden am rechten Oberarm und Oberschenkel kam der Läufer aus Hochheim beim 15-Kilometer-Lauf nach 1:01:48 Stunden ins Ziel. Das bedeutete Platz zwei hinter dem Sieger Markus Riefer vom SSC Hanau-Rodenbach - er war in 59:56 Minuten nach einem tollen Schlussspurt unter einer Stunde Laufzeit geblieben. Dieses gute Resultat ließ Lipecki die Schmerzen erst mal gar nicht wahrnehmen. "Ich bin schon auf der ersten Runde beim Abstieg des steilen Berges gestürzt", berichtete der Hochheimer, konnte aber schon kurz nach dem Zieleinlauf wieder mit seinem Konkurrenten Riefer fachsimpeln und scherzen. "Ich war ja froh, dass ich nicht irgendwo durchschwimmen musste", verriet Gewinner Markus Riefer seine Schwäche. Er kündigte an, auch im kommenden Jahr wieder dabei sein zu wollen. Auch der Hochheimer Lipecki, für den diese Extrem-Strecke lauf neben seinen zahlreichen Teilnahmen bei Volksläufen eine willkommene Abwechslung bot, spürte viel Adrenalin beim "Vull Wat Manns Loop".
So hatten sich die Veranstalter das auch vorgestellt. Frei nach dem Vorbild des großen Laufs im Norden Deutschlands, der nach 70 Teilnehmern 2012 in diesem Jahr sogar 500 Starter begrüßen konnte, hoffen auch die Organisatoren des Deponielaufs in Wicker auf eine Weiterentwicklung ihrer Veranstaltung. "Es müssen ja nicht gleich 500 Teilnehmer sein. Wir geben uns auch mit 200 Läufern im kommenden Jahr zufrieden", erklärte Klaus Wagner.